PROJEKT "NATURLANDSCHAFT SIHLWALD"

TEILBEREICH FAUNA 1987/88

Claude Meier, dipl. Zool. c/o AquaTerra, 8603 Schwerzenbach


INHALT


1. EINLEITUNG

Die Leitung des Projekts "Naturlandschaft Sihlwald" erhielt durch einen vom Stadtrat im Sommer 1986 bewilligten Kredit die Möglichkeit, Grundlagen über den pflanzensoziologischen Zustand, die Fauna, verschiedene Kleinstrukturen, die Kultur- und Landschaftsgeschichte, die heutigen Nutzungsansprüche und -konflikte, den ökologischen Gesamtwert, die Rechtsverhältnisse und wasserbauliche Fragen erarbeiten zu lassen.

Die hier vorgelegte Zusammenfassung des Teilbereichs "Fauna" greift die wichtigsten Erkenntnisse aus den Arbeiten verschiedener Spezialisten heraus und stellt sie in den Zusammenhang mit dem Projekt. Damit sollen in die Projektplanung für die "Naturlandschaft Sihlwald" auch Aspekte und Aufgaben aus der Sicht der Fauna eingehen können, und insbesondere wird die ökologische Wertanalyse des Gebiets ermöglicht.

2. METHODE

Um zu vergleichbaren Aussagen zu kommen, wurde jedem Bearbeiter ein Fragebogen zugestellt. In einigen Fällen mussten für die Beantwortung eine Begehung oder kurze Untersuchungen des Gebiets vorgenommen werden, in anderen reichten bereits vorliegende Daten und eigene Erfahrung aus. Der Arbeitsaufwand lag entsprechend zwischen einem halben Tag und 6 Tagen. Folgende Gruppen wurden bearbeitet: Dr. Verena Lubini: aquatische Wirbellose und Fische; Thomas Walter: Käfer; Paul Brodmann: Schmetterlinge; Donat Agosti: Ameisen; Claude Meier: Libellen und Amphibien; Rainer Neumeyer: Reptilien; Dr. Hans-Peter B. Stutz: Fledermäuse; Christa Mosler: Wild.

3. ERGEBNISSE

3.1. Fische und Wirbellose der Fliessgewässer

Die heutige Wirbellosenfauna der Sihl ist vorwiegend aus euryöken Arten (Arten mit relativ geringen ökologischen Ansprüchen) zusammengesetzt. Wasserqualität und Wasserführung der Sihl sind nicht ideal, um eine grössere Vielfalt bzw. das Vorkommen ökologisch anspruchsvoller Arten zu begünstigen. Die Fauna der Waldbäche ist von derjenigen der Sihl deutlich verschieden und z.T. typisch für saubere Bäche und Quellabflüsse.

Wichtige Fliessgewässer-Biotope im Sihlwald sind:

Würde man die bestehenden Bachverbauungen zerfallen lassen, so käme viel mehr Dynamik ins Spiel .Die Artenvielfalt würde dadurch nicht unbedingt vergrössert, da starke Erosion auch die Fauna schädigt. Es sind hierzu jedoch keine Untersuchungen bekannt. Allenfalls würden sich besonders daran angepasste Arten ansiedeln/ausbreiten.

Die Revitalisierung der Sihl ist mit Sicherheit von grosser Bedeutung für die Naturlandschaft Sihlwald und zwar deshalb, weil sie sich relativ rasch (schon nach einigen Jahren) auf die Invertebraten- und Fischfauna auswirken würde.

Argumente für eine Naturlandschaft Sihlwald:

3.2. Libellen

Erst mit dem kantonalen Libelleninventar von 1980-83 wurden verschiedene Libellenvorkommen im Gebiet der Naturlandschaft Sihlwald bekannt. Es handelt sich zum zum einen um Arten grösserer Bäche und Flüsse (in der Sihl), zum anderen um Arten der durch Riede fliessenden oder darin entspringenden Quellbäche sowie der Waldbäche mit besonnten, offenen Stellen. (Kleine Zangenlibelle, Gestreifte und Zweigestreifte Quelljungfer).

Das Vorhaben Naturlandschaft Sihlwald wird die Verbreitung der bisher bekannten Arten nicht beeinträchtigen, sofern weiterhin die verschiedenen Quellbäche in offenen Rieden verlaufen und diese nicht verwalden. Die Revitalisierung der Sihl wird mit Sicherheit einen positiven Effekt auf die Libellenfauna haben.

3.3. Käfer

Im Gebiet Sihlwald dürften etwa 1500 Käferarten vorkommen. Daten zur Käferfauna des Sihlwaldes fehlen aber. Bereits heute scheinen recht gute Bedingungen für holzbewohnende Arten zu bestehen, so z.B. an den steilen Hängen der rechten Talseite zwischen Schüeppenloch und Sihlboden oder links von Renggenberg bis Albishorn. Durch die Entwicklung der Naturlandschaft Sihlwald würden mehrere Artengruppen gefördert: I solche die auf dickeres Totholz angewiesen sind, Pilzfresser, Ufer- und Weichholzbewohner, die sich nach einer Revitalisierung der Sihl ansiedeln könnten. Andere Käferarten können aber durchaus auch verschwinden, etwa dann, wenn heute offene Flächen verwalden, die Femelschlagbewirtschaftung aufhört und damit Blüten der Pionierpflanzen, Waldränder etc. verschwinden oder wenn Fichtenforste aufgehoben werden.

Im ganzen gesehen überwiegen aber die Vorteile einer zukünftigen Naturlandschaft Sihlwald die Nachteile und dies um so mehr, wenn die Strukturvielfalt des heutigen Zustands erhalten bleibt.

3.4. Schmetterlinge

Tagfalter sind eher ungünstig als Indikatoren für die Naturnähe eines Waldes, sondern besser geeignet als Indikatoren für dessen strukturellen Aufbau. Geschlossene Hochwälder sind für Tagfalter fast ohne Bedeutung, während Waldränder und lichte, an Saumund Mantelstrukturen reiche Wälder von besonderem Interesse sind. Im Sihlwald wurden 1986 und 1987 15 Arten nachgewiesen. Drei gelten mindestens im Mittelland als bedrohte Arten, nämlich der Weissbindige Mohrenfalter, der Baldrian-Scheckenfalter und der Moorbläuling (Erebia ligea, Melitaea diamina, Macullnea alcon). Der Moorbläuling ist die bedeutenste Art, er gilt in der Schweiz als vom Aussterben bedroht. Er lebt auf Streuwiesen und wurde im Langmoos gefunden. Zur Ausscheidung der für Tagfalter besonders wichtigen Bereiche im Gebiet des Sihlwalds müsste aber ein detailliertes Inventar erstellt werden.

Falls nach Aufgabe der Bewirtschaftung die Vielfalt der botanischen Sukzessionsstadien im Wald zunimmt, dürften sowohl Dichte wie Artenzahl der Tagfalter positiv beeinflusst werden. Ohne Bewirtschaftung verlieren demgegenüber einzelne, heute offene Flächen und lichte Waldpartien an Bedeutung. Waldwiesen sollten deshalb durch entsprechende Bewirtschaftung erhalten werden. An günstigen Stellen wären auch Femelschläge von ca 1 ha Grösse erwünscht oder die Entnahme von Einzelbäumen in lichten Waldpartien. Ein hoher Laubholz- und Weichholzanteil, unterschiedliche Altersstufen auf kleinem Raum, lichte Laubdächer, offene, feuchte Bereiche wären ideal. Die Aufhebung der Sihltalstrasse und die Entfernung des Teerbelages hätte zumindest vorübergehend einen sehr positiven Effekt auf die Falterfauna, weil dadurch blütenreiche Ruderal- und Pionierstandorte entstehen würden.

3.5. Ameisen

Ameisen kommen vor allem dann in Wäldern vor, wenn grosse, offene Flächen (z.B. nach einem Zusammenbruch wegen Ueberalterung) bestehen. Für die Nestentwicklung ist direkte Sonneneinstrahlung notwendig. Wenige Arten können sich allerdings bereits an sonnenbeschienenen Wegen oder Waldstrassen ansiedeln. Für die Entwicklung einer grossen Artenvielfalt sind Mischwälder (bes. mit Eiche), Waldränder mit Hasel und Holunder, offene wärmere Stellen mit Föhre sowie unterschiedlich alte Bestände nötig. In gut entwickelten Buchenbeständen ist wahrscheinlich die kleinste Ameisendichte und -vielfalt anzutreffen. Femelschläge haben einen positiven Einfluss auf die Ameisenfauna. Es wird deshalb in der Naturlandschaft Sihlwald erst in einer viel späteren Phase der Waldentwicklung, beim Absterben überalterter Bestände eine Vergrösserung der Artenzahl und eine Erhöhung der Dichte erfolgen.

Es gibt demzufolge keine naheliegenden Argumente, um den Wert einer Naturlandschaft Sihlwald für Ameisen zu belegen. Von der Seite der Ameisen aus ist einzig die Erhaltung alter Eichen interessant; alle anderen heute schon bekannten Waldtypen weisen erst dann wirkliche Vorzüge auf, wenn in ihnen immer wieder Lichtungen entstehen. Dieser Zustand wäre natürlicherweise erst in ca 300 Jahren erreicht.

3.6 Amphibien

In den zwei kantonalen Amphibieninventaren wurde auch das Gebiet der zukünftigen Naturlandschaft Sihlwald untersucht. Die nachgewiesenen Arten sind: Grasfrosch, Erdkröte, Bergmolch, Fadenmolch, Feuersalamander, vereinzelt Alpensalamander. Insgesamt ist die Dichte aller Arten gering, da es an grossen und gut besonnten Laichgewässern fehlt. Immerhin bilden sich in flacheren Bereichen (Schnabel, Weid) Tümpel aus Sickerwasser, an anderen Stellen wurden kleinere Laichgewässer angelegt. Doch könnten im Gebiet sehr viel mehr Amphibien leben, wie Vergleichszahlen aus den Waldungen um die Stadt Zürich zeigen.

Eine zukünftige Naturlandschaft Sihlwald wird deshalb nur dann einen positiven Einfluss auf die Amphibienfauna haben, wenn vermehrt Laichgewässer entstehen, was zum Beispiel im Bereich der revitalisierten Sihl, vielleicht auch an anderen Orten möglich sein sollte. Die ausgeprägte Hanglage des Gebiets verhindert jedoch, dass von selbst grossflächige Gewässer entstehen können. Eher ist zu erwarten, dass da und dort neue Tümpel entstehen, welche langsam ein Netz von Kleingewässern bilden, was auch wertvoll wäre.

3.7. Reptilien

Im Gebiet kommt heute hauptsächlich die Waldeidechse vor. Im Tal und an vereinzelten, geeigneten Stellen wurden auch Zauneidechse, Blindschleiche sowie ganz selten Ringelnatter und Schlingnatter gefunden. Die Waldeidechse lebt hauptsächlich in Femelschlägen, Lichtungen und Riedwiesen, die anderen Arten sind bezüglich Besonnung und Strukturreichtum der Umgebung anspruchsvoller.

Reptilien brauchen im Wald lichte Bereiche mit einer gutentwickelten, lückigen Krautschicht. Das ist im jetzigen Sihlwald durch Femel- und Saumschläge erfüllt, in einer zukünftigen Naturlandschaft Sihlwald vermutlich durch Windwürfe und Biotope wie Hangriede, lichte Felsfluren und natürliche Waldwiesen.

In den ersten Jahrzehnten dürfte sich die Situation für die Reptilien - namentlich für die Waldeidechse - aber verschlechtern, da die Schlagflächen zuwachsen werden. Wenn sich aber zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt da und dort Windbrüche oder flächige Zusammenbrüche ergeben, wäre dieses Defizit an Lebensräumen wieder ausgeglichen und einer Besiedlung - aus einer hoffentlich noch besiedelten Umgebung - stünde nichts im Weg.

3.8. Säugetiere: Fledermäuse

Bisher sind drei Arten nachgewiesen worden: Eine wohnt aber in Siedlungen, die beiden anderen sind im Gebiet nur Wintergäste, die in Wäldern überwintern. Drei weitere Arten werden vermutet, sie benützen Baumhöhlen als Wochenstuben- und Tagesschlafquartier. Bei den Fledermäusen können aber zwischen Tagesschlafversteck und Jagdgebiet mehrere Kilometer liegen. Beobachtungen nur am einen oder anderen Ort im Sihlwald wären deshalb mit Vorsicht zu interpretieren.

Generell kann gesagt werden, dass spechtreiche Wälder mit vielen Baumhöhlen auch den Fledermäusen ein grosses Potential sekundär nutzbarer Unterschlupfmöglichkeiten bieten.

Als Jagdgebiet für Fledermäuse sind Wälder vor allem dann von Bedeutung, wenn sie unterschiedlich strukturiert und nicht geschlossen sind. Feuchtgebiete, Tümpel, und Hangriede sind wichtig, ebenso insektenreiche Waldränder, Hecken und Einzelbäume. Zwei Arten sind auf baumartenreiche Laubmischwälder angewiesen. Für alle genannten Arten stellt der Bewirtschaftungstyp "Mittelwald" eine optimale Situation dar.

Die Naturlandschaft Sihlwald wird deshalb vor allem jene Arten begünstigen, die auf Spechthöhlen, natürliche Fäulnishöhlen, Spalten und Ritzen in der Borke sowie alte Scheiterbeigen angewiesen sind.

3.9. Säugetiere: Wild

Mittels einer Spurentaxation und Befragungen von Wildhütern und Förstern wurden Auskünfte zum Wildbestand erhalten. Zum Zeitpunkt der Spurentaxation wurden weder Rothirsch- noch Wildschweinspuren festgestellt, doch scheinen sich nach anderen Beobachtungen Einzeltiere beider Arten regelmässig im Gebiet aufzuhalten. Neben den verbreiteten Arten wie Eichhörnchen, Feldhase, Fuchs, Steinmarder Dachs und Reh gibt es auch Beobachtungen von Baummarder (vor ca 4 Jahren einmal), Gemse (versprengte Einzelstücke), lltis und Biber (in benachbarten Gebieten).

Als Indikator kann der Baummarder angesehen werden, der grosse, zusammenhängende Altholzbestände und Mischwälder bevorzugt. Er ist sehr störungsempfindlich. Für verschiedene Arten sind folgende Strukturen wichtig: Kreten- und Tobellagen (Baue), Altholzbestände, stufig aufgebauter Wald, Waldwiesen und -ränder, Feuchtgebiete, Tümpel und Quellfluren, alte Einzelbäume, Totholzhaufen.

Eine Entwicklung zu einem urwaldähnlichen Zustand würde nur die ausgesprochen waldliebenden Tierarten begünstigen; in diesem Falle Eichhörnchen, Baummarder und abgeschwächt - den Dachs. Deshalb ist es wichtig, dass Waldwiesen offengehalten werden, dass Waldränder mit unregelmässigem Verlauf und breitem, vielfältigem Gebüschsaum vorhanden sind, und dass ein grosser Teil des Sihlwalds sich selbst überlassen wird, so dass ruhige Altholzbestände entstehen. Anderseits wären auch stufig aufgebaute Bereiche erwünscht, wie sie etwa durch Plenterung oder kleinflächigen Femelschlag geschaffen werden.

Für Wildschwein und Rothirsch ist das Gebiet Sihlwald aus verschiedenen Gründen nicht gut geeignet. Die Beobachtungen von Einzeltieren sollten deshalb nicht als Indikation für bereits bestehende Naturnähe, sondern als Ausnahmeerscheinungen gewertet werden. Beide Arten bleiben vermutlich Wechselwild.

4. FAUNISTISCHE "WERTANALYSE" DES HEUTIGEN SIHLWALDS

Die verschiedenen Aussagen ergeben kein einheitliches Bild: eher positiven Bewertungen (Käfer, Schmetterlinge, Reptilien) stehen eher negative (Wirbellose z.T., Ameisen, Amphibien, Wild) oder indifferente gegenüber, wobei aber alle unter dem Vorbehalt zu sehen sind, dass in keinem Fall eine wissenschaftlich genügende Untersuchung vorgenommen werden konnte. Deshalb wurde der Begriff Wertanalyse auch in Anführungszeichen gesetzt. Die Erfahrung der einzelnen Bearbeiter lässt allerdings den Schluss zu, dass es bei den meisten Gruppen kaum zu einer völligen Umbewertung kommen würde. Diese Uneinheitlichkeit ist leicht verständlich. Es ist ohnehin selten so, dass die ausgewählten Gruppen in einem begrenzten Areal optimale Verhältnisse finden, da diese Verhältnisse Ausdruck ganz verschiedener Faktoren sind, beispielsweise von Klima, Exposition bis hin zu Bewirtschaftungsformen in Vergangenheit und Gegenwart.

Es fällt deshalb schwer, zu beurteilen, ob der Sihlwald z.B. im kantonalen Vergleich von überdurchschnittlichem faunistischen Wert ist. Urteilt man vorsichtig, muss man eher zum Schluss kommen, dass es nur wenige Indikatoren gibt, die eine höhere Bewertung nahelegen. Verschiedene Gruppen dürften aber in "typischer Ausprägung vertreten sein. Keinesfalls ist der Sihlwald von unterdurchschnittlichem Wert.

5.DIE BEDEUTUNG EINER ZUKUENFTIGEN NATURLANDSCHAFT SIHLWALD FUER DIE FAUNA

Wichtiger als die Bewertung des heutigen Zustands ist zweifellos die Frage nach der Entwicklung der Fauna, falls das Projekt "Naturlandschaft Sihlwald" Realität werden sollte. Doch stellen sich hier verschiedene Probleme. Es ist offenbar ziemlich ungewiss, wie und in welchem Zeitraum sich der zukünftige "Naturwald" entwickeln wird. Fest steht lediglich, dass schon heute ein nicht zu unterschätzendes Entwicklungspotential vorhanden ist, dass aber anderseits auch Werte bestehen, die wieder verloren gehen könnten.

Die gewünschte Beurteilung der Bedeutung für die Fauna wird deshalb anhand verschiedener einfacher Szenarien vorgenommen. Sie sind nicht bis ins Letzte auf alle Konsequenzen durchdacht, sondern sind Ideenskizzen, die man je nach dem weiter bearbeiten kann.

Szenarium A: Der Sihlwald wird von jeglicher Nutzung befreit, nach und nach setzen sich die standorttypischen Baumarten durch, Waldwiesen und Femelschläge verwalden, es entwickelt sich ein schattiger, wahrscheinlich hallenartiger Buchenwald ohne Unterholz.

Folgen für die Fauna: durch diese Entwicklung wird während mindestens hundert Jahr en oder gar dauernd ein Teil der Fauna verdrängt oder eingeschränkt (Käfer, Ameisen, Schmetterlinge, Reptilien), nämlich alle Arten, die auf offene, besonnte Lichtungen, eine vielfältige Flora sowie auf (besonders innere) Waldränder angewiesen sind. Erst in einer Zerfallsphase des Waldes werden diese Arten wieder geeignete Biotope vorfinden, sofern bis dahin in der Umgebung des Sihlwalds entsprechende Populationen überlebt haben.

Von dieser Entwicklung werden von Anfang an eigentlich nur gerade jene Teile der Käferfauna begünstigt, die auf stehendes und liegendes Totholz angewiesen sind. Es ist wahrscheinlich, dass dieser Wald zwar für menschliche Augen imposant erscheint, aber obgleich natürlich - biologisch wenig vielfältig und artenarm ist.

Szenarium B: Voraussetzungen wie bei Szenarium A, doch entwickelt sich ein vielstufiger Urwald, wo kleinflächig eine unterschiedliche Struktur vorhanden ist. Es bilden sich auch offene Flächen, nämlich dann, wenn einzelne oder mehrere Bäume umstürzen. Szenarium A scheint allerdings aus forstlicher Sicht wahrscheinlicher.

Folgen für die Fauna: durch den insgesamt dichteren Bewuchs (v.a. Unterwuchs) und die bessere Besonnung dürften verschiedene Insektengruppen gegenüber Szenarium A begünstigt werden. Auch für das Wild und vermutlich die Fledermäuse dürften sich die Bedingungen verbessern. Dennoch verdrängt eine durchgehende Bewaldung auch hier einige Gruppen.

Szenarium C: es werden längerfristig verschiedene Unterhalts- und Optimierungsmassnahmen durchgeführt, wie: Revitalisierung der Sihl, Offenhalten der Waldwiesen und Riede, Herausnahme "ökologisch problematischer Baumarten" (nach Def. Waldinventar BGU) durch kleinflächige Femelschläge und Naturverjüngung, Einleiten einer Plenterwald-Struktur in dafür geeigneten Bereichen, Entflechtung und konsequente Vermeidung menschlicher Nutzung (Psychotop-Spazierwege, Waldlehrpfade, Abenteuerpfade etc. ) in biologisch empfindlichen Bereichen (Störungen!), Aufhebung von Waldstrassen in empfindlichen Bereichen (Liste unvollständig).

Dieses Szenarium unterscheidet sich von den zwei Szenarien A und B dadurch, dass man hier bewusst in die heutige Waldstruktur eingreift und sich aktiv um die Erhaltung und Entwicklung der Fauna bemüht. Es versteht sich aber von selbst, dass die Funktion der Naturlandschaft Sihlwald als Psychotop davon nicht berührt werden sollte oder dass zumindest beide Interessen nebeneinander verfolgt werden können. Es ist denkbar, dass längerfristig keine Eingriffe mehr nötig sind, da sich der Sihlwald dann von selbst in die gewünschte Richtung entwickelt.

Folgen für die Fauna: Hier ist eine Aufwertung für alle beurteilten Gruppen (Wirbellose bis Wild) oder zumindest die Erhaltung verschiedener heutiger Arten zu erwarten. Gewicht und Umfang der einzelnen Massnahmen müssten aber genauer diskutiert werden, und es sollten auch weitere Vorschläge entwickelt werden.

Szenarium D: es wird eine gewisse Nutzung des Sihlwaldes weitergeführt, allerdings so, dass die vollständige Reifung des Waldes von Jungwuchs bis zum Zerfall ablaufen kann. Dazu müssten Umtriebszeit und Nutzungsintensität gegenüber der heutigen Praxis stark verändert werden. Neben genutztem Holz wird es auch ungenutzte Substanz geben. Der wesentliche Unterschied zu Szenarium C liegt darin, dass hier eine sanfte Nutzung angestrebt wird, bei der die materiellen Gewinne im Hintergrund stehen, wo aber ein Nebeneinander von Mensch und übriger Natur angestrebt wird. Die Funktion als Psychotop könnte auch so erhalten werden.

Folgen für die Fauna: Richtig gemacht, wird damit der ökologische Kreislauf erhalten und zwar so, dass die gesamte Artengarnitur dieses Waldes mit überlebt. Das bedeutet: es sterben keine Arten aus, es können sich sogar bisher verdrängte Spezialisten wieder ansiedeln (z.B. Totholz-lnsekten). Damit würde - wie in Szenarium C - ein eminent wichtiger Beitrag zur Erhaltung von Arten geleistet, auch von solchen, die gerade wegen der Nutzung des Sihlwaldes durch den Menschen hier erst heimisch geworden sind. Man weiss über die Bedeutung der einzelnen Arten im ökologischen Gefüge noch zu wenig. doch gibt es gute Gründe für die Annahme, dass für die Evolution das Vorhandensein möglichst vieler Arten eine wichtige Bedingung ist.

Schlussbemerkung:

Mit den Berichten der Spezialisten und den Szenarien wird eines deutlich: Man kann nicht generell sagen, eine zukünftige Naturlandschaft Sihlwald bedeute in jedem Fall für die Fauna des heutigen Sihlwalds eine Aufwertung des Lebensraums. Man muss sich vielmehr fragen, welche Fauna man will. Ist es die Fauna eines völlig unbeeinflussten Buchen-Urwalds, so werden etliche heute heimische Arten verschwinden, und dieser Buchen-Urwald wird relativ eintönig und artenarm sein. Dafür gewinnt man eher auf der philosophischen Seite, indem ein Wald entsteht, der sich vom Menschen unbeeinflusst entwickeln kann. Die Ausstrahlung eines solchen Waldes ist unbestritten.

Will man demgegenüber erreichen, dass die heute heimischen Arten nicht verdrängt werden, dass sie ihre Lebensräume behalten können und sich gewisse Populationen entwickeln können, dass auch z.B. ökologisch spezialisierte oder störungsempfindliche Art en sich ansiedeln können, so muss man die Entwicklung und die Nutzung der Naturlandschaft Sihlwald lenken. Wie genau das zu geschehen hat, wäre in einer späteren Planungsphase auszuarbeiten.

So muss nachdrücklich festgehalten werden, dass mindestens kurz- und mittelfristig ein Konflikt zwischen verschiedenen Naturschutz-lnteressen und der Nutzung des Sihlwalds als Psychotop, als Erlebnisraum für den Menschen besteht, wenn dieser ab heut e von jeglicher anderen Nutzung und Lenkung befreit wird, wie es in den Szenarien A und B beschrieben wird. Es sei hier offen eingestanden, dass es aufgrund fehlender wissenschaftlicher Daten sehr schwer hält, die langfristige Entwicklung des Sihlwaldes ohne Nutzung zu beschreiben. Deshalb wurde hier bewusst eine eher vorsichtige Haltung aus der Sicht der Fauna eingenommen. Dass daneben noch andere Gesichtspunkte zu beachten sind, ist unbestritten.


Projekt "Naturlandschaft Sihlwald"

Teilbereich Fauna - Berichte der Spezialisten

1987- 1988

ausgeführt im Auftrag des Stadtforstamts der Stadt Zürich


SIHLWALD - FRAGEBOGEN FUER SPEZlALISTEN

  1. Von welcher Zusammensetzung ist die heutige Fauna im Gebiet der zukünftigen Naturlandschaft Sihlwald vermutlich {Arten, Artengruppen etc.)? Gibt es bekannte oder vermutete, wichtige Tierarten, auf die im Zuge des Projekts besonders Rücksicht genommen werden muss (wenn möglich Schilderung der Biotopansprüche und Lokalisierung der Vorkommen)? Gibt es Indikatoren für Naturnähe? Beantwortung je nach dem auf Grund der Begehung /eigener Erfahrung / Literatur.
  2. Welche ökologischen Faktoren / welche Biotope sind in einem solchen zukünftigen Naturwald von Bedeutung für: Artenvielfalt, genügend grosse Populationen wichtiger Arten? (Mögliche Biotope: nicht bewirtschaftete Waldstücke in Kreten- oder Tobellagen, Altholzbestände, Waldwiesen, innere Waldränder, Feuchtgebiete, Tümpel und Quellfluren, Hangriede, lichte Felsfluren etc)
  3. Welche Entwicklung dürfte die vertretene Art/Artengruppe erfahren, wenn der Sihlwald aus der traditionellen, forstwirtschaftlichen Nutzung entlassen wird und in einen urwaldähnlichen Zustand hineinwächst?
  4. Kennt man Wald-Bewirtschaftungsformen, die einen positiven/negativen Einfluss auf die vertretene Art/Artengruppe haben? Bitte kurz beschreiben. Gibt es andere sinnvolle Massnahmen, mit denen man für Arten oder Artengruppen positive Effekte erreichen kann? Wo am besten? Gibt es heute besonders Schützenswertes, das durch die vorgesehene Entwicklung im Rahmen des Projekts Schaden nehmen könnte?
  5. Welche Argumente können genannt werden, um den Wert einer Naturlandschaft Sihlwald für die vertretene Art/Artengruppe zu belegen?

    Fragen zweiter Priorität:

  6. Gibt es schon heute bekannte oder vermutete, für die vertretene Art/Artengruppe wichtige Bereiche, Strukturen, Lebensräume im Gebiet? Wenn ja, welche? Wo?
  7. Welchen vermutlichen Einfluss hätte die Aufhebung der Sihltalstrasse auf die vertretene Art/Artengruppe?

NATURLANDSCHAFT SIHLWALD

Fische und Wirbellose der Fliessgewässer

Dezember 1987

Dr. Verena Lubini, Eichhalde 14, 8053 Zürich


1. Die Fauna nach eigenen Untersuchungen

Im Januar und August wurde die Wirbellosenfauna an 4 Probestellen in der Sihl zwischen Sihlwald und Sihlbrugg untersucht. Für Köcherfliegen wurde im Juli an zwei Stellen ein Lichtfang durchgeführt. Im gleichen Monat wurden auch drei Waldbäche begangen, der Bachtobelbach bei Sihlwald und zwei Bäche im Cholbenholz, und nach Wirbellosen abgesucht. Die Angaben zur Fischfauna stammen vom Fischereiaufseher, Herrn Reutemann. Damit sollte eine einfache Beurteilung der Fliessgewässer im Sihlwald, im Hinblick auf die Bedeutung einer zukünftigen Naturlandschaft, vorgenommen werden.

Folgende Arten wurden nachgewiesen (I = Imago; L= Larve) :

Nach der Roten Liste der BRD, resp. dem Libellenatlas der Schweiz bedeuten: * gefährdet oder bedroht, ** stark gefährdet, *** vom Aussterben bedroht
Sihl (4 Probestellen)               3 Waldbäche

                          INSEKTEN
                        Köcherfliegen         
Hydropsyche siltalai (L,I)          Hydropsyche pellicidula. (L)
Rhyacophila dorsalis (L,I)          Rhyacophila pubescens (I)
Agapetus ochripes (I)               **Wormaldia copiosa (I)
Hydroptila forcipata (I)            Plectrocnemia conspersa (L)
Polycentropus flavomaculatus (I)    Philopotamus variegatus (I)
Psychomyia pusilla (I)              Odontocerum albicome (L)
Sericostoma personatum(L,I)         Sericostoma personatum (I,L)
Silo piceus (I)                     **Ernodes vicinus (I)
Mystacides azurea (I)               *Metalype fragilis (L)
Mystacides longicornis (I)          Micropterna sp. (L)
Limnephilus rhombicus (I)           Chaeteropteryx. sp. (L)
Halesus sp. (L)
Ceraclea dissimilis (I)

                        Steinfliegen
Nemoura sp.(L)                      Protonemura fumosa (I)
Isoperla grammatica (L)             Protonemura intricata (I)
Leuctra albida (I)                  Leuctra handlirschi (I)
Leuctra braueri (I)                 Leuctra cingulata (I)
Dinocras klapaleki (L)

                       Eintagsfliegen
Baetis rhodani (L)                  Baetis muticus (L)
Habrophlebia lauta (L)              Habrophlebia lauta (L)
Ecdyonurus Gr. venosus (L)          Ecdyonunus Gr. Helveticus.(L)
Ecdyonurus helveticus {I)
Habroleptoides confusa (L)
Caenis sp. (L)
Ephemerella ignita (I,L)

                        Zweiflugler
                                    Simuliidae (L)

                       Wassenwanzen
                                    Velia caprai

                        Netzflügler
                                    *Osmylus fulvicephalus (I)

                          Libellen
Calopteryx splendens (I)            *Cordulegaster bidentatus (I)

                           Käfer
Elmis sp.                          Agabus biguttatus

                     ANDERE WIRBELLOSE
Erpobdella octoculata               Dugesia gonocephala
Radix peregra                       Gordius aquaticus
Chironomidae (L)                    Gammanrus fossarum

                           FISCHE
Alet
**Barbe
*Bachforelle
*Bartgrundel (Schmerle)
**Groppe
Schneider
***Strömer? (vor 10 Jahren von T. Walter letzmals beobachtet) 

Die in der Sihl gefundenen Insektenarten sind charakteristisch für einen Fluss der voralpinen Region. Mit Ausnahme der Köcherfliege Sericostoma personatum sind vorwiegend euryöke Arten gefunden worden, die zum Teil auch leichte organische Verschmutzung tolerieren, sofern das Sauerstoffangebot genügend gross ist. Die Wasserqualität bei Langnau wurde aufgrund biologischer Erhebungen, anlässlich der MAPOS Studie der EAWAG im Jahre 1974/75 mit dem Makroindexwert 2 angegeben (1 bedeutet keine Belastung). Diese Bewertung ist sicher zu optimistisch, bestätigt sie doch nach den Worten des Autors die sichtbare organische Belastung nicht eindeutig. Nach Angaben des Kantonschemikers enthält das Wasser zu viele Kolibakterien, die aus den Abwässern der zahlreichen Kläranlagen stammen.

Die in den drei Waldbächen gefundenen Arten sind, mit Ausnahme von Sericostoma personatum, nicht identisch mit den in der Sihl festgestellten Arten. Die in der Sihl gefundene Larve von S. personatum - einer Art sauberer Bäche und Quellabflüsse - ist vermutlich aus einem in der Nähe mündenden Bach eingeschwemmt worden. Alle in den drei Bächen gefundenen Arten sind charakteristisch für das saubere Wasser von Quellabflüssen oder sind typische Arten der Waldbäche. Etwas mehr Arten konnten im Brandtobelbach, einem durch einen Kahlschlag fliessenden, weitgehend natürlichen Bach, gefunden werden Bemerkenswert ist ferner das Vorkommen zahlreicher Bachhafte (Osmylus fulvicephalus) an schattigen Abschnitten im Cholbenholz und vereinzelt auch am Bachtobelbach.

Wichtige Biotope

3. Voraussichtliche Entwicklung im unbewirtschafteten Wald

Verzichtet man künftig bei den Bächen auf die Aufrechterhaltung wasserbaulicher Schutzmassnahmen, werden sie ihre Dynamik allmählich wieder ungehindert entfalten können. Dies wird bei den meistens in steilen Hängen fliessenden Bächen zu vermehrter Erosion führen. Stark erodierende Bäche sind jedoch nicht artenreich. Dies könnte sich aber in flacheren Partien ändern, wo der 8achlauf breiter wird und durch Ueberschwemmungen vernässte Zonen und temporäre Tümpel entstehen. Insgesamt wird an solchen Orten die Kontaktzone zwischen Wasser und Land grösser. An lichten Stellen, die durch umstürzende Bäume entstehen, werden krautige Pflanzen den Bachlauf säumen. Die dadurch vergrösserte räumliche Diversität, zusammen mit der von Hochwassern geprägten zeitlichen Dynamik werden die Artenvielfalt erhöhen.

4. Massnahmen zur Förderung gewisser Arten oder Artengruppen

4.1. Fische
4.2. Insekten

Mit der Verbesserung der Wasserqualität in der Sihl wäre es vermutlich möglich, das Artenspektrum zu erweitern:

5. Argurnente für eine Naturlandschaft Sihlwald


Projekt "Naturlandschaft Sihlwald"

TAGFALTER

Paul Brodmann

Blumenauweg 3

8134 Adliswil

August 1988


Inhaltsverzeichnis

1.Heutige Fauna

1.1. Artenliste

In der Tab.l sind die Tagfalterarten aufgelistet, welche am 13. und 14. August 1987 im Sihlwald und im Sommer 1986 in Adliswil vom Autor beobachtet werden konnten. Dabei wird nach "Waldarten", "Riedwiesenarten" und "weiteren Arten" unterschieden. Waldarten, die nur in Adliswil beobachtet werden konnten, kommen mit grosser Wahrscheinlichkeit auch im Sihlwald vor. Im zweiten Teil der Tabelle sind auch möglicherweise im Sihlwald vorkommende Arten aufgeführt, von denen keine Beobachtungen vorliegen.

Als Waldarten werden hier nicht nur eigentliche Waldbewohner im engeren Sinne, sondern alle Arten mit einer gewissen Bindung an den Wald bezeichnet.

1.2. Indikatorarten

Drei Tagfalterarten können als Indikatoren für grossflächige, intakte Laubmischwälder bezeichnet werden, nämlich Apatura iris, Limenitis populi und Nymphalis polychloros. Während Apatura iris und Nymphalis polychloros im Gebiet zu erwarten sind, kommt Limenitis populi in der Gegend wohl nicht vor.

Tagfalter sind jedoch eher ungünstig als Indikatoren für die Naturnähe eines Waldes, sondern besser geeignet als Indikatoren für dessen strukturellen Aufbau. So sind geschlossene Hochwälder für Tagfalter praktisch ohne Bedeutung, während Waldränder und lichte, an Saum- und Mantelstrukturen reiche Wälder von besonderem Interesse sind. Es gilt die Faustregel, dass die Besiedelung mit Tagfaltern um so dichter und wahrscheinlich auch artenreicher ist, je lichter der Wald ist (vgl. auch 2.1., 2.2., 2.3.).

Tab. 1. Im Sihlwald und in Adliswil beobachtete Tagfalterarten sowie eine Liste weiterer Arten, die möglicherweise im Sihlwald vorkommen (potentielle Waldarten). Die 15 Arten, welche im Sihlwald gefunden werden konnten, sind mit einem Stern "*" gekennzeichnet. 18 der insgesamt 52 aufgeführten Arten gelten als im Mittelland oder in der ganzen Schweiz bedroht und sind mit einem "!" gekennzeichnet.


Beobachtete              beob. Ried-         weitere beob.
Waldarten                wiesenarten         Arten

Anthocharis cardamines   *Brenthis ino       Papilio machaon
*Gonepteryx rhamni       *Melitaea diamina!  Pieris brassicae
*Polygonia c-album       *Maculinea alcon!   *Pieris rapae
*Araschnia levana                            Pieris napi
*Limenitis camilla                           Leptidea sinapis
Nymphalis antiopa!                           *Aglais urticae
*Argynnis paphia                             Cynthia cardui
Mesoacidalia aglaja!                         Vanessa atalanta
Mellicta athalia!                            *Inachis io
Lopinga achine!                              Issoria lathonia
*Aphantopus hyperantus                       Melanargia galathea
*Erebia ligea!                               Erebia medusa!
Erebia aethiops!                             *Maniola jurtina
Coenonympha arcania!                         Coenonympha pamphilus
*Pararge aegeria                             Heodes tityrus
Strymonidia pruni!                           Polyommatus icarus
Celastrina argiolus                          Lysandra bellargus
                                             Cyaniris semiargus

potentielle Waldarten

Aporia crataegi!
Apatura iris
Apatura ilia!
Limenitis populi!
Nymphalis polychloros
Argynnis adippe!
Argynnis niobe!
Clossiana euphrosyne!
Lasiommata maera
Lasiommata megera
Haemaris lucina!
Strymonidia w-album
Thecla betulae
Quercusia quercus

1.3. Bedrohte Arten

Die fünf Arten Limenitis populi, Apatura ilia, Lopinga achine, Strymonidia pruni und Maculinea alcon gelten als gesamtschweizerisch bedroht. Mögliche Vorkommen dieser Arten sollten im Laufe des Sihlwaldprojektes überprüft und berücksichtigt werden. Während keine Hinweise dafür bestehen, dass die zwei Arten Limenitis populi und Apatura ilia im Sihlwald oder in der näheren Umgebung vorkommen, konnten Maculinea alcon im Sihlwald, Lopinga achine und Strymonidia pruni in Adliswil nachgewiesen werden.

Weitere 13 Arten aus derTab.1 sind zwar nicht gesamtschweizerisch, aber im Mittelland stark bedroht. Obwohl nicht weiter auf diese Arten eingegangen wird, sollten ihre Bestände nach Möglichkeit ebenfalls überprüft werden.

Limenitis populi
ist für die Larvalentwicklung auf Zitterpappeln (Populus tremula) oder Salweiden (Salix cepraea) angewiesen. Waldränder und Lichtungen mit grösseren Beständen dieser Baumarten sollten deshalb kontrolliert werden.
Apatura ilia
lebt vor allem in Au- und Schwemmlandwäldern des Tieflandes, wo sie sich auf Populus tremula und Populus nigra entwickelt. Es ist möglich, dass diese Art an der Sihl vorkommt.
Lopinga achine
konnte in den letzten Jahren am Albishang in Adliswil und auf dem Gebiet der Stadt Zürich nachgewiesen werden. Es ist zu erwarten, dass diese Art auch im Sihlwald vorkommt. Den Lebensraum bilden mesophile Randzonen von Laubwäldem. Viele Waldwiesen, Lichtungen und Waldränder im Sihlwald kommen demzufolge als Habitat der Art in Frage.
Strymonidia pruni.
in der Schweiz vom Aussterben bedroht, wurde im Sommer 1986 in Adliswil festgestellt. Dieser Zipfelfalter lebt an warmen Stellen mit viel Prunus spinosa. Am ehesten könnten die grossflächigen Schläge im Süden des Sihlwaldes dieser Art zusagen.
Maculinea alcon
ist eine hochspezialisierte Art der Streuwiesen, welche für die Larvalentwicklung auf Gentiana pneumonanthe und Gentiana asclepiadea sowie auf Nester der Ameisen Myrmica ruginodis, Myrmica scabrinodis oder Myrmica rubra angewiesen ist. Die Art konnte im Langmoos/Horgenerberg und am Gattiker Weiher gefunden werden. Da sie wie die vorige Art in der Schweiz vom Aussterben bedroht ist, muss unbedingt für die Erhaltung der bekannten Populationen gesorgt werden.

2. Wichtige ökologische Faktoren

2.1. Struktur

Enge Verzahnung unterschiedlicher Altersstufen mit gut ausgebildeter Kraut- und Strauchschicht, geringer Deckungsgrad, Bestandeslücken und gute Durchsonnung des Waldbodens sind günstig.

2.2. Waldränder

Generell sind lange, windgeschützte äussere und innere Grenzlinien günstig. Gemäss Blab und Kudrna; (1982) benötigen mehrere Arten eine scharfe Grenze Hochwald-Boden (Apatura iris, Apatura ilia, Limenitis polpuli, Nymphalis polychloros, Nymphalis antiopa). Dieser Befund kann wahrscheinlich nicht verallgemeinert werden. Generell dürften breite, gestufte Waldränder (ev. auch für die obigen Arten) von wesentlich grösserer Bedeutung sein.

2.3. Waldschläge

Punktuelle Schläge von etwa 1 ha Grösse auf trockenwarmen, sonnigen, windgeschützten Stellen bieten vorübergehend optimale Bedingungen für viele Waldfalterarten.

2.4. Blütenangebot

Für viele Waldfalterarten stellt nicht das Angebot an Raupenfutterpflanzen, sondern das Blütenangebot einen limitierenden Faktor dar. Dieses kann durch innere und äussere Grenzlinien, durch die Pflege von Waldwiesen und das Anlegen von Schlägen erhöht werden. Wo die Ränder von Waldwegen gemäht werden, sollte dies nicht vor Ende Juli geschehen.

2.5. Waldwege

Ungeteerte Wege und Strassen haben für mehrere Arten Bedeutung als Saugplatz (Apatura sp., Limenitis sp., u.a.) und können am Rand oft auch günstige Fortpflanzungsplätze und ein reiches Blütenangebot bieten.

2.6. "Treetopping"

Apatura iris versammelt sich im geschlossenen Wald zur Paarung um besonders hohe Einzelbäume, oft um Eichen. Exponierte Einzelbäume am Waldrand dienen dieser und anderen Arten als Warten, auf denen sich die Falter sonnen oder ruhen.

2.7. Nistkästen

Die künstliche Erhöhung der Vogeldichte mittels Nistkästen kann unter Umständen einen negativen Einfluss auf einzelne Tagfalterarten ausüben (Weidemann, 1986; Friedrich, 1977).

2.8. Spezielle Waldtypen

Einige besondere Waldtypen können für das Vorkommen von Spezialisten ausschlaggebend sein, so die Eichen- und Eichenmischwälder für Quercusia quercus, Laubmischwälder mit Weichhölzern (va. Weiden und Pappeln; Dies gilt nicht für kanadische Hybridpappeln, welche gemäss Blab und Kudrna; (1982) einen Falleneffekt für Apatura ilia und ev. auch Limenitis populi bewirken, indem beide Arten ihre Eier auf diesen Hybriden ablegen, die Junglarven jedoch die dicken Blätter nicht fressen können.) für Apatura iris, Apatura ilia, Nymphalis antiopa und Limenitis populi.

2.9. Feuchtgebiete

Riedwiesen unterschiedlichster Ausprägung sind über das ganze Sihlwaldgebiet verteilt. Während die grossen Streuwiesen Lebensraum für hochspezialisierte Arten bieten, tragen auch die kleinsten Riedwiesen wesentlich zur Erhöhung des Blütenangebotes für die Waldfalter bei.

3. Entwicklung des Gebietes

3.1. Struktur und Artzusammensetzung

Sollte der Sihlwald nicht mehr bewirtschaftet werden, so ist zu erwarten, dass die verschiedenen Sukzessionsstufen im Wald häufiger werden und die botanische Diversität zunimmt, womit auch der Anteil an Pionierflächen und der Anteil an Weichhölzern zunehmen dürfte. Dies hätte sowohl auf die Vielfalt, wie auch auf die Dichte der Tagfalter einen positiven Einfluss. (Vergleiche dazu auch 1.3., 2.1., 2.8.)

3.2. Offene Flächen

Ohne Bewirtschaftung verlieren einzelne, heute offene Flächen und lichte Waldpartien durch die Verwaldung an Bedeutung. Waldwiesen sollten deshalb durch entsprechende Bewirtschaftung erhalten werden und an günstigen Stellen gelegentlich der Wald auf ca. 1 ha grossen Flächen kahlgeschlagen, beziehungsweise in lichten Waldpartien Einzelbäume entfernt werden.

4. Einfluss der Bewirtschaftungsformen

4.1. Einfluss der Waldbewirtschaftung

Welche Waldbewirtschaftungsformen einen positiven, bzw. negativen Einfluss auf die Tagfalterbestände ausüben, ergibt sich aus den unter Punkt 2 aufgeführten Faktoren.

"Dunkelwald"wirtschaft mit Koniferenforsten oder Hochwald bewirkt einen stark negativen Einfluss auf die Tagfalter.

Bewirtschaftung als Plenterwald, als Mittelwald sowie Kahlschläge begünstigt hohe Tagfalterbestände.

Im weiteren sind ein hoher Laubholz- und Weichholzanteil, unterschiedliche Alterstufen auf kleinem Raum und die Lichtung des Laubdaches als positiv zu werten, während die Begradigung der Waldränder, das Teeren von Waldstrassen und die Anwendung von Pestiziden den Zustand des Waldes für Tagfalter verschlechtern.

4.2. Aeussere Bewirtschaftungseinflüsse

Durch extensive Bewirtschaftung des angrenzenden Offenlandes, zum Beispiel als Heuwiesen, kann auch für viele Waldarten ein positiver Effekt erzielt werden.

4.3 Schützenswerte Bewirtschaftungsformen und Strukturen

Sofern vorhanden sollten Mittelwald- und Plenterwald-ähnliche Waldpartien entsprechend bewirtschaftet werden. Die unter Punkt 3.2. aufgeführten Strukturen, sowie lange äussere und innere Waldränder sind besonders schützenswert. Naturstrassen sollten nicht vollständig aufgehoben, auf keinen Fall aber geteert werden. Besonders grosse und alte, beziehungsweise exponierte Einzelbäume sind zu erhalten.

5. Argumente für eine Naturlandschaft

Die unter Punkt 3.1. aufgeführten Entwicklungstendenzen zeigen, dass sich vermutlich ideale Verhältnisse für Tagfalter bilden dürften, wenn der Wald zum grössten Teil nicht mehr bewirtschaftet, sondern nur noch einzelne Bereiche wie Waldränder, Waldlichtungen und -wiesen, lichte und stufige Waldpartien gezielt genutzt und unterhalten würden.

6. Bedeutende Teilgebiete

Zur Ausscheidung der für Tagfalter besonders wichtigen Bereiche im Gebiet des Sihlwaldes müsste ein detailliertes Inventar erstellt und gezielt nach Indikatoren und bedrohten Arten (vgl. 1.2., 1.3. und 2.8.) gesucht werden.

6. 1. "Chlemmeriboden/Sihlzopf"

Die grossflächigen Schläge im Süden des Sihlwaldes könnten auf Grund des wärmeren Klimas von besonderem Interesse sein.

6.2. Diverse Riedwiesen

Sowohl die grossen, wie auch die kleinen Riedwiesen sind für Waldfalter, die grossen (Langmoos, Summerhalden, ev. andere) auch für hygrophile Arten von besonderer Bedeutung.

7. Sihltalstrasse

Die Aufhebung der Sihltalstrasse und die Entfernung des Teerbelages hätten, zumindest vorübergehend, einen sehr positiven Effekt auf die Dichte und die Vielfalt der Tagfalter, weil dadurch Pionierstandorte in Form von Ruderal- und Brachflächen geschaffen würden.

8. Literatur

Arbeitsgemeinschaft Forsteinrichtung und Arbeitskreis forstliche Landpflege (1984): Biotop-Pflege im Wald, Kilda-Verlag.

Blab, Josef und Kudrna, Otakar (1982): Hilfsprogramm für Schmetterlinge, Kilda-Verlag.

Blab, Josef (1984): Grundlagen des Biotopschutzes für Tiere, Kilda-Verlag.

Friedrich, Ekkehard (1977): Die Schillerfalter, Neue Brehm-Bücherei.

Gonseth, Yves (1987): Verbreitungsatlas der Tagfalter der Schweiz, Centre suisse de cartographie de la faune und Schweizerischer Bund für Naturschutz.

Higgins, Lionel G. und Riley, Norman D. (1970): Die Tagfalter Europas und Nordafrikas, Paul Parey Verlag.

Schweizerischer Bund für Naturschutz (1988): Tagfalter und ihre Lebensräume.

Weidemann, Hans-Josef (1986): Tagfalter, Neumann-Neudamm Verlag.

Anhang: Beobachtungsprotokol
13. August 1987

1. Summerhalden           14.30-15.00 
Riedwiese

Argynnis paphia           2 Ex.
Polygonia c-album         1 Ex.
Gonepteryx rhamni     ca. 5 Ex.
Pieris rapae              1 Ex.
Maniola jurtina       10-20 Ex.
Aphantopus hyperantus  S-10 Ex.
Inachis io                1 Ex.
Aglais urticae            1 Ex.
Limenitis camilla         1 Ex.
Pararge aegeria           1 Ex.


2. Ochsenweid             15.00-15.10

kleine, wechselfeuchte Lichtung

Erebia ligea              2 Ex. 
Argynnis paphia           1 Ex. 
Maniola jurtina           3 Ex. 
Gonepteryx rhamni         1 Ex.


3. Bachtelen                  15.20-15.40

grosser Schlag mit Aufforstungen (Fichten, u.a.), 
blumenreicher Strassenrand

Inachis io                2 Ex.
Argynnis paphia           1 Ex.
Aphantopus hyperantus     9 Ex.
Maniola jurtina           3 Ex.
Gonepteryx rhamni         7 Ex.
Pararge aegeria           1 Ex.
Erebia ligea              1 Ex.

(Bergeidechse) 


4. Rohrboden                   16.00 (zu spät!)

Waldried

cf. Erebia sp.            1 Ex.


5. Waldmatt                  16.10-16.20

Waldried

Gonepteryx rhamni         2 Ex.
Erebia ligea             11 Ex.
Argynnis paphia           1 Ex.
Limenitis camilla         3 Ex.
Ochlodes venatus          1 Ex.


6. Waldmatt                  16.20-16.30

Waldschlag, wechselfeucht

Gonepteryx rhamni         2 Ex.
Argynnis paphia           1 Ex.
Erebia ligea              1 Ex.
Ochlodes venatus          1 Ex.
Lnachis io                4 Ex.
Aglais urticae            1 Ex.
Aphantopus hyperantus ca. 5 Ex.


7. Risenbuck                 16.30-16.40 (zu spät)

Föhrenwald an trockenem Steilhang mit nassen Mulden

Argynnis paphia           1 Ex.
Erebia ligea              1 Ex.

14. August 1987

8. Langmoos               11.00-11.30
Riedwiese

Ochlodes venatus          1 Ex. 
Maniola jurtina           2 Ex. 
Aphantopus hyperantus     2 Ex. 
Gonepteryx rhamni         1 Ex. 
Maculinea alcon           Eier an grösserem Bestand von Gentiana 
                          pneumonanthe. Bei weiteren Kontrollen am 
                          31.7.88 und am 8.8.88 wurden wieder Eier,
                          jedoch keine Falter gefunden. 
Brenthis ino          20-30 Ex.   am 4.7.88 
Melitaea diamina     ca. 10 Ex.   am 4.7.88


9. Langmoos            11.30-12.00

kleiner Schlag nördlich der Riedwiese

Araschnia levana          1 Ex.
Argynnis paphia           1 Ex.
Gonepteryx rhamni         1 Ex.
Pararge aegeria           1 Ex.


10. Langmoos           12.00-12.30

Schlag nordwestlich der Riedwiese; 
relativ wenige Schmetterlinge im Verhältnis
zum grossen Blütenangebot.

Aphantopus hyperantus     4 Ex.
Gonepteryx rhamni         2 Ex.
Inachis io                1 Ex.
cf. Ochlodes venatus      1 Ex.
Maniola jurtina           3 Ex.
Polygonia c-album         1 Ex.


11. Sihlzopf/Chlemmeriboden 13.00-13.30

grosser Schlag mit Aufforstungen

Polygonia c-album         1 Ex.
Limenitis camilla         1 Ex.
Inachis io                1 Ex.
cf. Vanessa atalanta      1 Ex.
Gonepteryx rhamni      5-10 Ex.
Aphantopus hyperantus     1 Ex.


12. Tannboden              14.35-14.50

Windwurf

Gonepteryx rhamni      5-10 Ex.
cf. Argynnis paphia       1 Ex.
Aphantopus hyperantus     1 Ex.
Inachis io                1 Ex.
Abb 1a.: Am 13. und 14. August 1987 kontrollierte Wiesen, Schläge und Lichtungen

BERICHT SIHLWALD: AMEISEN (Hym. Formicidae)


1.
Myrmica rubra (L.)
M. ruginodis NYLANDER
Leptothorax acervorum NYLANDER
L. nylanderi MAYR
(L. affinis MAYR)
(Myrmecina graminicola (LATREILLE))
(Stenamma wetwoodi (WESTWOOD))

Lasius niger (L:)
(L. brunneus (LATREILLE))
L. flavus (F.)
(L. (Chthonolasius) spp.)
(L. fuliginosus (LATREILLE))
(Camponotus ligniperdus (LATREILLE))
Formica fusca L.
F. sanguinea LATREILLE (Nachgewiesen von E.Kissling und R.Neumayer)

Die Liste ist ergänzt mit Arten, die für einen Mischwald des Schweizerischen Mittellandes erwartet werden dürfen. Einen typischen Vertreter, die Arten der Formica s.str.-gruppe (Waldameisen) konnten während dieser Arbeit für dieses Gebiet nicht nachgewiesen werden. Ob diese Arten einen naturnahen Wald besiedeln oder rekolonisieren würden ist insofern zu bezweifeln, da es sich bei den vorliegenden Wäldern um relativ junge Bestände handelt, von denen nicht anzunehmen ist, dass sich in ihnen in nächster Zukunft wegen Ueberalterung grosse Bestandeslücken öffnen werden. Diese wären aber die Voraussetzung für eine erfolgversprechende Rekolonisierung, da diese Ameisen in frühen Stadien der Nestentwicklung direkte Sonneneinstrahlung benötigen. Erst Nester von sehr grossem Volumen können mittels metabolisch erzeugter Wärme die benötigte Minimaltemperatur, die über 20 Grad Celsius liegt, erzeugen und sich auch in einem sich schliessenden Bestand erhalten. Zudem sind mir aus der näheren Umgebung des Sihlwaldes keine starken Nester bekannt, von denen aus eine Besiedlung erfolgen könnte.

Das häufige Auftreten von Lasius niger und Myrmica ruginodis ist darauf zurückzuführen, dass sie sich sehr gerne an sonnenbeschienenen Wegrändern innerhalb des Waldes ansiedeln, die ihnen einerseits Wärme andererseits auch eine reichhaltigere Diät anbieten.

Die anderen, nicht durch Funde belegten Arten, leben entweder auf Bäumen oder unterirdisch; im Rahmen der vorliegenden Arbeit scheint es nicht sinnvoll, sie wirklich nachzuweisen.

2. Für die Erhaltung einer relativ grossen Artenvielfalt sind Mischwälder, in denen auf keinen Fall die Eiche (Quercus spp.) fehlen darf, Waldränder mit Hasel und Holunder, offene, wärmere Stellen mit Föhre sowie einen mit Waldlichtungen durchsetzten, unterschiedlich alten Wald Voraussetzungen. In gut entwickelten Buchenbeständen ist wahrscheinlich die kleinste Ameisendichte und -vielfalt anzutreffen.

3. Wie unter 1. erwähnt dürfte zuerst die Dichte, weniger die Artenvielfalt zurückgehen. In der vorliegenden Untersuchung wurden keine Arten gefunden, die nicht auf irgendeine Weise mit dem Wald in Verbindung stehen. Erst in einer viel späteren Phase der Waldentwicklung, beim Absterben von überalterten Beständen dürfte die Dichte wieder zunehmen.

4. Femelschlag weist einen positiven Einfluss auf die Dichte und auch auf mögliche Neuansiedler (Waldameisen!) auf.

5. Es gibt keine naheliegenden Argumente, um den Werte einer Naturlandschaft Sihlwald zu belegen. Von der Seite der Ameisen sind einzig die Erhaltung alter Eichen interessant; alle anderen heute schon bekannten Waldtypen weisen wirkliche Vorzüge erst dann auf, wenn in ihnen (neuerdings durch die Meliorationsverfahren) immer wieder Lichtungen geschaffen werden. Dieser Zustand wäre meines Wissens natürlicherweise erst in ca. 300-500 Jahren im Sihlwald erreicht.

6. Lichtungen, Kretenlage mit starker Einstrahlung

7. Keinen

Zürich, 20.12.1987 Donat Agosti


Käfer im Sihlwald


Welche Käfer leben heute im Sihlwald?

Nach den Insecta helvetica-Katalogen von Allenspach (1970,1973), Allenspach und Wiltmer (1979), Bovey (1987), Pochon (1964) und dem Katalog der Käfer Mitteleuropas von Lucht (1987) sind in der Nordschweiz (Kantone AG, Al, AR, BL, BS, SG, SH, SO, TG, ZH) etwa 4000 Käferarten nachgewiesen. Einen Ueberblick gibt Tabelle 2. Im Gebiet Sihlwald dürften ca. 1500 bis 2000 Käferarten vorkommen. Nach dem Katalog von Bovey 1987t sind ca. 50 Scolytiden(CH 104) und 90 Cerambyciden-Arten (CH 185) möglich (Tabellen 3, 4). Viele Arten, die im Jura und Randen-Gebiet leben, Gebirgsarten, und einige aus typischen Trockenrasen werden im Sihlwald fehlen. Für Feuchtgebietsarten bestehen z. B. in den Gebieten Langmoos, Summerhalden, Schnabel, südlich Waldmatt und in weiteren kleineren Feuchtwiesen gute Lebensbedingungen. So fand ich während einer Begehung im Juni 87 bei Summerhalden und Schnabel zahlreich den Schilfkäfer Plateumaris consimilis. Er entwickelt sich an im Wasser stehenden Wurzeln und Stengelteilen von Seggen und Binsen. Im Schnabel stellte ich auch den Weichkäfer Malthodes europaeus fest. Er ist eine neue Art für den Lucht-Katalog, wurde im Schweizer Mittelland und Voralpengebiet schon aus Muntelier-Murten, Rewag-Bern und dem Emmental gemeldet (Wittmer 1979). Solche Ueberraschungen sind im Sihlwald wegen des mangelnden Forschungsstandes und der Vielfältigkeit des Gebietes noch öfters möglich.

Gute Bedingungen sind auch für saproxylophage Arten gegeben, findet man doch Buchen, Eichen (v. a. rechtes Ufer), Eschen, Ahorn, Föhren, Rot- und Weisstannen in allen Zerfallsstadien. An den steilen Hängen des rechten Ufers z. B. zwischen Schüeppenloch und Sihlboden, auf der linken Seite vom Renggerberg bis Albishorn liegt oder steht viel Totholz verschiedener Dicken, an trockenen und feuchten Stellen, besonnt oder im Schatten, mit oder ohne Rinde, bemoost, verpilzt, rot- oder weissfaul, mulmig, etc. Dies sind wertvolle Refugien, in welchen auf Alt- und Totholz angewiesene Tierarten vermutlich auch viele als gefährdet geltende leben. Natürlich entstehendes Totholz sollte deshalb im Wald liegen und zerfallen dürfen. Erlen, vereinzelte Nussbäume, Kirschbäume, Birken, Weiden, Sträucher beherbergen weitere Käferarten. Wie ein Baum von Käferarten als Habitat oder Habitatteil genutzt werden kann, ist in Tabelle 1 und den dort gegebenen Beispielen ersichtlich. Auf Totholz angewiesene Arten gehören v. a. zu den in Tabelle 2 mit * bezeichneten Familien.

Weitere Käferarten leben an, in, von verschiedenen Gräsern, Kräutern und Pilzen. Stellvertretend seien hier die im Sihlwald häufigen Hermaeophaga mercurialis (Bingelkraut-Flohblattkäfer) und Hippuriphila moederi auf Equisetum erwähnt.

Edaphische und epigäische Käfer finden im Sihlwald vielfältige Böden und Bodenbedeckungen vor. Nebst den üblichen Mooshabitaten sind das Sphagnum im Langmoos, Quellsümpfe und Waldmoorböden im Gebiet Chli Bürgeln, schottrige Kegel unterhalb der Konglomeratfelsen bei Chli Bürglen, Rutschungen, lehmige, steile Tobelwände (Schlegeltobel), Tuffbildungen (Vorderhalden) interessante Käferbiotope. Entlang der Sihl bieten wenige Schotterbänke weiteren Käferarten zusätzliche Einnischungsmöglichkeiten.

Verschiedene ganz oder halbaquatische Käferarten leben in Quellen, Wald-, Wiesenbächen, der Sihl, auf berieselten Felsen, Tümpeln (Chli Bürglen, Langmoos) oder auch nur in mit Wasser gefüllten Astlöchern.

Eine nicht zu unterschätzende Anzahl Käferarten leben zeitweise oder immer in Nestern von Ameisen, Wespen, Hummeln, Bienen, Hornissen, Mäusen, Maulwurf, Vögeln oder in Dachs- und Fuchsbauten.

Weitere Arten sind auf Aas oder Kot angewiesen.

Um die potentielle Anzahl Käferarten in einem Gebiet besser abschätzen zu können, erstellen Peter Beerli und ich eine Datenbank. Mit dieser ist es möglich, anhand der ökologischen Ansprüche der Käfer, ihrer Lebensweise, der geographischen Lage des Gebiets, der Flora, etc., eine Liste von potentiell in einem Gebiet vorkommenden Käferarten zu erhalten. Eine Prognose auf dieser Basis ist für den Sihlwald ca. Ende 1988 möglich.

Indikatoren für Naturnähe

Willkür und Schwierigkeit besteht in der Definition von naturnah. Als Indikatoren für Naturnähe von Waldbiotopen kann man Arten bezeichnen, die durch anthropogene Einflüsse wie z. B. Forstwirtschaft oder Landwirtschaft aus dem Biotop verschwinden. Speight bezeichnet gewisse saproxylophage Arten als Indikatoren für Urwaldfaunen. Von diesen könnten die Bockkäfer Prionus coriarius, Toxotes cursor, Cerambyx credo, Rhopalus femoratus, Semanotus undatus, Mesosa curculionides und Lamia textor im Sihlwald vorkommen. Weitere Indikatoren für Urwaldfaunen gehören den Familien Cleridae, Elateridae, Eucnemidae, Buprestidae, Scarabaeidae, Lucanidae, Oedemeridae, Ostomidae, Bostrichidae, Serropalpidae, Alleculidae, Boridae an (Tabelle 2).

Mit Hilfe der Datenbank wird es möglich, Artlisten von Käfern mit bestimmten Biotop-Ansprüchen rasch zu erfassen und allenfalls als Indikatoren zu verwenden.

In welche Richtung könnte sich die Käferfauna in einer Naturlandschaft Sihlwald entwickeln

Bei ausbleibender forstwirtschaftlicher Nutzung profitieren vor allem saproxylophage Arten und deren Räuber, die auf dickeres Totholz angewiesen sind. Pilze und damit mycelophage Käfer werden ebenfalls bessere Bedingungen finden. Standortfremde Tannenforste würden mit der Zeit verschwinden und damit darin lebende Arten seltener. Viele dieser Arten leben aber auch auf Föhren.

Waldränder würden wieder blütenreiche Strauch- und Krautsäume bilden. Dies wird nebst den Käfern auch den Bienen, Fliegen und Schmetterlingen bessere Lebensbedingungen bringen. Positiv ist mir diesbezüglich der Waldrand beim Schüeppenloch, negativ der bei Tableten aufgefallen.

Offene Flächen wie das Erlenmoos, Langmoos, Summerhalden, Schnabel würden mit der Zeit bewaldet und damit einige Käferarten aus dem Gebiet verdrängt (z.B. Schilfkäfer).

An der Sihl könnten wieder grosse Weiden und Erlen heranwachsen und mit den Wurzeln im Wasser stehen. Im Gebiet steht heute kein Baum in oder direkt an der Sihl. Auf abgestorbenem im Wasser stehendem Erlenholz lebt z. B. die Lagriidae Agnathus decoratus. Die Prallhänge der Sihl würden steiler, Rutschungen entstehen, die Schotter- und Sandbänke der Gleithänge werden grösser. Mehr Schwemmholz und Hochwassergenist würde sich ansammeln und von einer darauf spezialisierten Käfergesellschaft besiedelt. Mit dem Biber käme auch die Biberlaus ins Sihltal. Ein natürlicher Sihlverlauf würde viele Käferarten zurückbringen oder ihnen Besiedelungsmöglichkeiten anbieten. Hochwasser würden jedoch die Bahnlinie gefährden. Eine teilweise Renaturierung des rechten Ufers wäre denkbar.

Der Einfluss einer Aufhebung der Sihltalstrasse auf die Käferfauna ist schwierig abzuschätzen. Bessere Luft, weniger Schadstoffe im Boden und eventuell bessere Migrationsmöglichkeiten dürften der Käferfauna sicher nicht schaden. Auf der Strasse selber könnten Pflanzengesellschaften an Magerstandorten entstehen und von Käferarten besiedelt werden.

Insgesamt dürften sich für die heute als gefährdet bezeichneten Käferarten in einer Naturlandschaft Sihlwald bessere Bedingungen ergeben, während gewisse von der Forst- und Landwirtschaft profitierende Arten seltener werden.


Reptilien Sihlwald

Antworten zum "Fragebogen für Spezialisten"

(die Reptilien im Sihlwald betreffend)

Rainer Neumeyer 1987


1. Im Gebiet der zukünftigen Naturlandschaft Sihlwald beobachtete ich im Jahre 1987 Waldeidechsen (Lacerta vivipara), Blindschleichen (Anguis fragilis) und Zauneidechsen (Lacerta agilis). Aufgrund von Angaben in KRAMER und STEMMLER (1986)1 kommen auch Ringelnattern (Natrix natrix) und Schlingnattern (Coronella austriaca) vor. Ferner fand auch HEISE (briefl.) am 27.7.1987 im Landforst (Koordinaten: 685.200/236.640) eine Schlingnatter.

Wenn man die Absicht hätte, heute noch offene Gebiete zuwalden zu lassen, wären Zauneidechse, Ringelnatter und Schlingnatter negativ betroffen. Diese drei Arten können sich nämlich im Gegensatz zur Waldeidechse im Sihlwaldgebiet nicht mit Waldlichtungen begnügen. So kommt die Ringelnatter meist nur in Landschaften vor, wo sie nebst Wald ein vielfältiges Mosaik von Gewässern und offenen aber deckungsreichen Feucht- und Trockenbereichen findet. Bevorzugt also die Ringelnatter bei uns extensiv genutzte, traditionelle Kulturlandschaften, so ist die Zauneidechse geradezu eine Charakterart dieses Biotopes. Oft findet man sie auch an sonnigen Waldrändern und entlang von Eisenbahnlinien. Die Schlingnatter ist in unseren Breiten ökologisch leider noch kaum untersucht worden, gilt aber - zu Recht oder zu Unrecht - als besonders wärmeliebend. Sicher ist auch sie auf offene, exponierte Habitatsbereiche angewiesen. Im übrigen siehe auch Antwort 6.

Bei uns zeigen Reptilien sehr oft eine besonnte, wohlentwickelte, nicht lockere aber lückige Krautschicht an. Diesen Lebensraum findet man einerseits in der traditionellen, kleinparzelligen Kulturlandschaft in wenig genutzten Randbereichen, andererseits aber auch auf Schlagflächen und natürlichen Lichtungen des Nutzwaldes. Die Waldeidechse gilt im Mittelland eher als Kulturflüchterin, was aber nicht ganz stimmt, da sie hier nicht nur in Mooren, sondern vor allem auch in Femelschlägen lebt. Sie kommt als vivipare Art wohl überall vor, wo es für Eidechsen, nicht aber für Eidechseneier günstig ist, mithin dort wo sie gegenüber der oviparen Zauneidechse im Vorteil ist. Die Schlingnatter schliesslich ist meistens mit ausgedehnten Eidechsenpopulationen assoziiert und somit heutzutage keine häufige Art mehr.

2. Reptilien brauchen im Wald lichte Bereiche mit einer wohlentwickelten, nicht lockeren aber lückigen Krautschicht. Während im Wirtschaftswald in diesem Zusammenhang Femel- und Saumschläge besonders bedeutsam sind, gewännen im Naturwald Windbrüche und -würfe nebst Biotopen wie Hangriede, lichte Felsfluren und natürliche Waldwiesen an Bedeutung.

3. In den ersten Jahren und vielleicht Jahrzehnten dürfte sich die Situation für die Reptilien - namentlich für die Waldeidechse - verschlechtern, da die Schlagflächen zuwachsen werden. Nachdem aber der Wald älter geworden sein wird, werden sich da und dort Windbrüche und -würfe einstellen. Sie werden wohl ein mehr oder weniger regelmässiges Raster von lichten Stützpunkten im Sihlwald bilden und so die heutigen Femelschläge vielleicht auch flächenmässig ersetzen. Für die Waldeidechse wird es wieder so, wie es einst während Jahrtausenden war.

Von Windbrüchen würden selbstredend auch andere Organismen profitieren. Ich denke zunächst an Ameisen und Vögel wie Spechte, Haselhuhn oder Auerhuhn. Gelbbauchunken könnten die sich bildenden Wasserlachen unter den ausgehobenen Wurzeltellern von Windwürfen aufsuchen.

4. In Mittellandwäldern dürften sich Femel- und Saumschläge für Reptilien positiver auswirken als Plenterschläge. Generell ungünstig sind dichte Nadelholzbestände, die nur wenig Licht bis zum Boden dringen lassen. Für den Fall, dass der Sihlwald unter Schutz gestellt werden sollte, schlage ich deshalb vor, vorher seinen Fichtenbestand zu reduzieren.

5. In einer Naturlandschaft Sihlwald könnte man sehen, wie Waldeidechsen und andere Reptilien einst in mitteleuropäischen Urwäldern der tieferen Lagen lebten. So würde man erkennen, welche Strukturen für diese Artengruppe wichtig waren und ob diese in bewirtschafteten Wäldern heute allenfalls fehlen. Mit anderen Worten könnte man Ideen sammeln, wie die mehr und mehr defizitären Wirtschaftswälder ökologisch schonender zu nutzen wären .

6. Die Waldeidechse lebt im Sihlwaldgebiet häufig in Femel- und Saumschlägen sowie längs von sonnigen Waldwegen. Ferner beobachtete ich die Art auch an Waldrändern und sogar beim Gehöft "Hintere Riesleten" an der schattigeren, alibswärtigen Talseite .

Wichtig für die Zauneidechse sind die SBB-Bahnlinie sowie andere geeignete Bereiche in der offenen Talsohle. Dazu gehören vielleicht das Sihlufer und sonnige Waldränder am zimmerbergseitigen Sihlhang.

Die Ringelnatter kann als mobile Schlange mit einer Wohngebietsfläche in der Grössenordnung von 10 ha überall im Gebiet auftauchen (sofern sie vorkommt). Schwerpunkte wären allerdings die Laichplätze von Amphibien, das Sihlufer sonnige, naturnahe Waldränder und geeignete Randstrukturen im extensiv genutzten Kulturland. Ringelnattern legen ihre Eier übrigens oft in Misthaufen, Komposthaufen, verrottenden Schilfhaufen und ähnlichen gärungswarmen Orten.

Die Schlingnatter würde ich in südexponierten, sonnigen Bereichen dort suchen, wo viele Zaun- oder Waldeidechsen leben.

Die ziemlich anspruchslose Blindschleiche lebt überall dort, wo Eidechsen sind und auch anderswo. Im Sihlwaldgebiet fand ich die Art mitten im Wald an einem sonnigen Waldweg.

7. Würde man die Sihltalstrasse aufheben, hätte das für die Waldeidechse wohl überhaupt keine Folgen. Die übrigen Reptilarten wären nur dann negativ betroffen, wenn man gleichzeitig die gesamte Talsohle zuwalden liesse. Sonst aber würde vor allem die Ringelnatter profitieren, wird diese Schlange doch anscheinend regelmässig ein Opfer des Strassenverkehrs (FELDMANN 1981; HODSON 1966; HOTZ und BROGGI 1982)2 3 4. Das gilt auch für die Blindschleiche, doch fallen bei dieser häufigen Art solche Verluste weniger ins Gewicht.

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1. KRAMER, E. und STEMMLER, O. (l986): Schematische Verbreitungskarten der Schweizer Reptilien. - Rev. suisse Zool. 93 (3): 779-802.

2 FELDMANN, R. (1981): Die Amphibien und Reptilien Westfalens. - Abh. Landesmus. Naturk. Münster Wesff. 43 (4): 1-161.

3 HODSON, N . L. (1966): A survey of road mortality in mammals (and including data for the Grass snake and Common frog). - J. Zool., Lond. 148: 576-579.

4. HOTZ, H. und BROGGI, M. F. (1982): Rote Liste der gefährdeten und seltenen Amphibien und Reptilien in der Schweiz. - SBN, Basel. 112 S.


Beantwortung der Fragen: Sihlwald - Fragebogen für Spezialisten

(20.5.87)

FEBEX Haffner und Stutz Büro für feldbiologische Expertisen

Benedikt Fontana-Weg 15

8049 Zürich

01 - 56 19 63

Zürich, 18.3.1988


1. Zusammensetzung der heutigen Fledermausfauna

Die mir zur Verfügung stehenden Nachweise stammen hauptsächlich aus den Siedlungsräumen rund um den Sihlwald.

Nachgewiesen sind die Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) (Fortpflanzungsquartiere in Hirzel, Horgen und Hausen), die Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) (Einzelfunde in Horgen, Hausen und Thalwil) und der Grosse Abendsegler (Nyctalus noctula) (Flugbeobachtungen in Horgen, Oberrieden, Thalwil und Langnau).

Auf Grund meiner eigenen Erfahrung vermute ich noch die folgenden Arten im Gebiet: Wasserfledermaus (Myotis daubentoni), Bartfledermaus (Myotis mystacinus) und Braunes Langohr (Plecotus auritus).

Wollte man diesen Arten einen Indikatorwert zuteilen, so liesse sich das folgendermassen darstellen:

Myotis mystacinus
Jagdhabitate: natürliche Walränder, waldrandnahe Einzelbäume, Hecken und Hochstamm-Obstanlagen
Myotis daubentoni
Jagdhabitate: natürliche Gewässer mit natürlicher Ufergestaltung und Vegetation, die bis an die Wasseroberfläche reicht (stehende Gewässer, langsam fliessende Abschnitte von Fliessgewässern mit ruhiger Oberfläche)
Pipistrellus pipistrellus
Jagdhabitate: überhängende Ufervegetation stehender und fliessender Gewässer, natürliche Waldränder, waldrandnahe Wege mit "Vegetationstunnelcharakter" (aber auch Siedlungsräume, Gartenanlagen und "Strassenlampenhabitaten")
Pipistrellus nathusii
Jagdhabitate: natürliche Waldränder, Alleen (aber auch Siedlungsräume und "Strassenlampenhabitate")
Nyctalus noctula
Jagdhabitate: Flusslandschaften, flussbegleitende Uferwiesenstreifen mit hohen Vegetationsstrukturen im Hintergrund (zurückversetzte Waldränder, typisch für Flusslandschaft mit Mäander), natürliche Waldränder (aber auch "Strassenlampenhabitate")
Plecotus auritus
Jagdhabitate: Waldlichtungen, auch div. Sukkzessionsstufen von Schlägen, natürliche Waldränder, Hecken und Einzelbäume (aber auch gut durchgrünte Siedlungräume) und Hochstamm-Obstanlagen

Die unterschiedlichen Siedlungsstrategien dieser Arten bewirken unterschiedliche Bindungen an die den Sihlwald umgebenden Siedlungsräume. Fledermäuse sind zudem fähig, zwischen Tagesschlafversteck und nächtlichem Jagdhabitat mehrere Kilometer (bei Nyctalus noctula bis zu 19 km nachgewiesen) zurückzulegen. Ein bestimmtes Untersuchungsgebiet muss also zumindest immer unter den zwei Aspekten "Quartiere" und "Jagdhabitate" getrennt beurteilt werden. Zusätzlich muss beachtet werden, dass das Jagdhabitat und somit das Habitat fliegender Insekten nicht immer mit dem Entwicklungslebensraum der Insekten identisch ist aber das Vorhandensein von solchen Biotopen von vitaler Bedeutung für die Fledermäuse ist.

2.1. Quartiere der einzelnen Fledermausarten

Bei den Quartieren von Fledermäusen unterscheidet man drei Haupttypen: Tagesschlafquartier (Quartier, in dem die Fledermäuse tagsüber in Lethargie schlafen), Winterschlafquartier (Quartier, in dem Fledermäuse ihren Winterschlaf abhalten, im Herbst und Frühling können dieselben Quartiere Tagesschlafquartiere sein, da die Tiere dann bei warmer Witterung abends zur Jagd ausfliegen) und Wochenstubenquartier (Ort der Jungenaufzucht). Bei Nyctalus noctula kommen noch die sog. "Hochzeitsquartiere" hinzu.

Myotis mystacinus, Myotis daubentoni und Plecotus auritus können Bäume als Wochenstubenquartiere und als Tagesschlafquartiere benutzen. Für diese Fledermausarten sind spechthöhlenreiche Altholzbestände folglich für die Jungenaufzucht und als Tagesschlafquartiere wichtig.

Pipistrellus pipistrellus übertagt hauptsächlich im Siedlungsraum und zieht im Sommer dort auch ihre Jungen auf. Für diese Fledermausart sind Einzelhabitate im Sihlwald nur als Jagdhabitate von Bedeutung.

Pipistrellus nathusii kommt bei uns vorwiegend als Wintergast vor. Als Winterquartier wählt diese Fledermausart gerne geschützte Holzbeigen und Risse in Baumrinden. Solche Winterquartiere könnten im Sihlwald bereits bestehen und allenfalls gefördert werden.

Nyctalus noctula kommt bei uns ebenfalls vorwiegend als Wintergast vor. Als Winterquartier wählt diese Fledermausart gerne Specht- und Fäulnishöhlen in Bäumen. Im Herbst besetzen einzelne Männchen Baumhöhlen, in denen sie sich regelmässig Harems mit ca. 6-8 Weibchen zusammenlocken. Solche Bäume gelten als "Hochzeitsquartiere", denn in ihnen findet die Paarung statt. Obwohl diese Fledermausart nicht oder zumindest nicht in bedeutendem Mass bei uns Junge aufzieht, sind Waldgebiete mit Hochzeitsbäumen von enormer Wichtigkeit, denn dort findet die Durchmischung des Erbgutes für Populationen aus ganz Europa statt.

Da die Baumeister der meisten Quartiertypen von baumhöhlenbewohnenden Fledermausarten Spechte sind, bieten spechtreiche Wälder mit ihren vielen Baumhöhlen auch den Fledermäusen ein grosses Potential sekundär nutzbarer Unterschlupfmöglichkeiten (also siehe auch unter: ornithologisches Inventar, Spechttauglichkeit des Gebietes).

2.2. Wichtige Biotope für die einzelnen Fledermausarten

Fledermäuse fressen hauptsächlich Insekten. Die Jagdhabitate der im Sihlwald lebenden Fledermäuse müssen jedoch räumlich nicht unbedingt mit den Entwicklungslebensräumen der Beuteinsekten übereinstimmen.

Die Beschreibung von Jagdhabitaten einzelner Fledermausarten wird darum nur einem Aspekt der Ernährungsbiologie der Fledermäuse gerecht. Andererseits sind auf Grund unseres Wissens über die Beuteinsekten einzelner Fledermausarten nur grobe Entwicklungsbiotopbeschreibungen möglich.

Für Myotis daubentoni und Plecotus auritus verfügen wir über eigene Untersuchungen des Beutespektrums. Für Pipistrellus pipistrellus gibt es diesbezüglich verwertbare Literaturangaben. Aus diesen Daten lässt sich ableiten, dass die meisten der regelmässig von Myotis daubentoni und Pipistrellus pipistrellus gefressenen Insekten eine submerse oder zumindest an feuchte Biotope gebundene Larvalentwicklung aufweisen. Feuchtgebiete, Tümpel, Quellfluren und Hangriede sind für diese Arten von grosser Bedeutung. Dies dürfte in bescheiderem Masse auch für Myotis mystacinus, Pipistrellus nathusii und Nyctalus noctula zutreffen.

Beim Patrouillenjäger Pipistrellus nathusii ist die Waldrandlänge (im weitesten Sinne als Grenzlinienlänge zu verstehen, also auch Heckenlänge, Anzahl von Einzelbäumen) von grosser Bedeutung.

Im Falle von Myotis daubentoni treffen Jagdbiotop und Brutbiotop der Beuteinsekten meist zusammen. Wegen der spezifischen Jagdstrategie (knapp über der Wasseroberfläche) können strukturell nur grössere offene Wasserflächen stehender oder oberflächlich ruhig fliessender Gewässer genutzt werden.

Myotis mystacinus und ganz besonders der Eulenspezialist (Noctuidae) Plecotus auritus sind auf baumartenreiche Laubmischwälder angewiesen.

3. Möglicher Einfluss des "Urwaldkonzepts" auf die ansässigen Fledermausarten

Bezüglich "Wohnsituation": Wenn Quartiermöglichkeiten in Form von Baumhöhlen im weitesten Sinn (Spechthöhlen, natürliche Fäulnishöhlen, Spalten und Ritzen im Borkenbereich alter Bäume) und Holzbeigen (z.B. Scheiterbeigen oder Altholzbeigen) durch das "Urwaldkonzept" merklich gefördert werden, so könnte sich dies durchaus positiv auf die Besiedlungsdichte der hier besprochenen Fledermausarten (Myotis mystacinus, Myotis daubentoni, Pipistrellus nathusii, Nyctalus noctula, Plecotus auritus) auswirken, da im wirtschaftlich stark genutzten Wald das Tagesschlafquartierangebot ein limitierender Faktor sein kann.

Bezüglich "Jagdhabitatstruktur": Der Perimeter des Sihlwaldes klammert die für Fledermäuse äusserst attraktiven Walränder mit Südwestexposition weitgehend aus (Begrenzung durch Krete Sihlzopf, Albishorn, Bürglen, Schnabel). Hier wären gerade die ausgeklammerten, der Krete in südwestlicher Richtung vorgelagerten Waldränder und ihre natürliche Entwicklung wertvoll.

Interessant sind allenfalls die Waldränder Sihlzopf-Süd (Abteilungsnummer 1, WM 29), Albisboden (Abteilungsnummer 33, WM 2) und Silruin (Abteilungsnummer 28, WM 5). In diesen Bereichen könnte eine natürliche Mischwaldstruktur, welche sich selber überlassen ist, interessante Jagdbiotope schaffen und Pipistrellus pipistrellus, Nyctalus noctula und Plecotus auritus in ihren Beständen fördern.

Dies gilt auch für die Waldabschnitte rechts der Sihl (Abteilungsnummern 36-41, WM 7, 12, 17, 19, 22, 27).

Bezüglich "Nahrungsangebot" sind Altholzbestände und sich selber überlassenes Wurfholz für die Förderung des Insektenreichtums und somit des Nahrungsangebotes für Fledermäuse bestimmt förderlich.

4. Gibt es "fledermausfreundliche" Bewirtschaftungsformen und weitere "fledermausfreundliche" Eingriffe?

Für alle hier besprochenen Fledermausarten stellt der Bewirtschaftungstyp "Mittelwald" sowohl eine optimale Tagesschlafsituation wie auch Jagdsituation (ausser Myotis daubentoni) dar.

Myotis daubentoni würde nur gefördert, wenn Feuchtbiotope mit Tümpeln (ähnlich wie Gattikerweiher, Waldweiher und Bergweiher, alle ausserhalb des Perimeters) gezielt gefördert und die Wasserführung der Sihl erhöht (ganzjährig tiefgründig und mit Abschnitten mit permanent ruhigem Oberflächenwasser) würden. Der Sihllauf müsste zudem natürlicher gestaltet werden (Ausläufer mit "stehendem" Wasser, Widerwasserstellen).

5. Fledermausspezifische Argumente pro "Sihlurwald"

Wir haben keine fledermausspezifischen Argument von übergeordneter Bedeutung (mehr als lokale Bedeutung) vorzuschlagen.

6. Bekannte oder vermutete fledermausspezifische "Objekte"

Diesbezügliche Feldstudien fehlen. Vermutungen darf man immer anstellen und manchmal werden sie von der Natur auch unterstützt (siehe unter 3., dort sind Gebiete mit vermutlichem fledermausspezifischen Wert genannt).

7. Aufhebung der Sihltalstrasse

Die Aufhebung der Sihltalstrasse hätte auf die genannten Fledermausarten keinen ersichtlichen positiven Einfluss. Im Gegenteil verlängert dieser Waldeinschnitt die wichtigen Grenzlinien (Waldränder, Hecken, Wegrand) und der Luftraum um die Strassenlampen könnte, sofern es sich um Quecksilberdampflampen handelt, Jagdgebiete für Pipistrellus pipistrellus und Pipistrellus nathusii darstellen.

Zürich, den 18.3.88 Dr. Marianne Haffner, Dr. Hans-Peter B. Stutz


infodienst wildbiologie und ökologie

Strickhofstrasse 39 CH-8057 Zürich Tel. 01/362 78 88

Zürich, 11. März 1987

Bericht SPURENTAXATION "SIHLWALD"


Mündlicher Auftrag vom 13. Februar 1987

Mit Hilfe einer qualitativen Spurentaxation im Schnee wurde das Gebiet "Sihlwald" (links der Sihl) und die Waldungen rechts der Sihl (v.a. Pfefferberg und sihlseitiger Horgerberg) auf Vorkommen und Verteilung der Säugetierarten kartiert.

Zeitpunkt der Aufnahme

"Sihlwald" (links der Sihl) 24. und 25. Februar 1987, Waldungen rechts der Sihl 8. März 1987

Vorgehen

Die Marschroute wählte ich auf Forststrassen und Waldwegen, suchte das Gelände mit dem Feldstecher nach Spuren (Fährten, Aesungsflächen, Losung, Liegebetten) ab und machte - falls nötig - Abstecher ins Gelände. Auf diese Weise ist es möglich, rechts und links der Marschroute ein breites Gebiet nach Spuren abzusuchen.

Ergebnisse der Taxation

Die Marschroute und Ergebnisse sind auf der beiliegenden Karte (Sihlwald 1:10'000) zusammengestellt.

Schwierigkeiten bei der Datenaufnahme

Ideale Verhältnisse für eine Spurentaxation sind gegeben, wenn auf starken Schneefall eine längere (abhängig von der Grösse des Gebietes) niederschlagsfreie Periode eintritt. Da die Tiere während des Schneefalls ihre Einstände kaum verlassen, kann erst etwa 2 Tage später mit der Taxation begonnen werden, damit auch genügend Spuren angetroffen werden. Das ganze Gebiet sollte an möglichts wenigen, aufeinanderfolgenden Tagen kartiert werden können.

Solche idealen Verhältnisse waren anfangs 1987 leider nicht mehr gegeben. Wiederholter Schneefall wechselte mit Tauwetter und regen ab, so dass wenige Tage alte Fährten zum Teil nicht mehr identifiziert werden konnten.

Ein Teil des Untersuchungsgebietes wurde nicht mehr geprüft, da die Verhältnisse zu ungünstig waren.

Bemerkungen

1. Auf dem untersuchten Gebiet wurden zum Zeitpunkt der Aufnahmen weder Rothirsch- noch Wildschweinspuren festgestellt.

2. Die Grenze des benutzten Wintereinstandes im Gebiet "Sihlwald" durch Rehe liegt bei ca. 700 m Höhe, also ungefähr auf der Höhe der Bachtelenstrasse. Dies hängt zu einem gewissen Teil mit den Standorten der Fütterungen in diesem Gebiet zusammen. Diese Futterstellen werden von den Rehen rege benutzt. Aber auch ohne Fütterungen dürfte auf etwa diese Höhe eine natürliche Verteilungsgrenze verlaufen: Die Schneedecke war an der Bachtelenstrasse (ca. 700 m Höhe) deutlich höher (ca. 30-35 cm) als etwa an der Sihlwaldstrasse (ca. 650 m Höhe) mit 10 - 20 cm.

3. Aufgrund der lokalen Verhältnisse im "Sihlwald" und den Waldungen rechts der Sihl ist dieses Gebiet als Wintereinstand für Schalenwild eher wenig geeignet. Die Frage, wo sich Rothirsche im Winter aufhalten, kann nur dann befriedigend geklärt werden, wenn angrenzende Gebiete in die Studie miteinbezogen werden.

4. Diese Ausweichmöglichkeiten in andere Gebiete legen den Schluss nahe, dass die Verteilung gerade der beiden Arten Rothirsch und Wildschwein im Verlauf des Winters einem dynamischen Prozess unterliegt. Wollte man die wechselnden Einstände und Abwanderungsrichtungen festhalten, müssten mehrere Taxationen über den ganzen Winter verteilt vorgenommen werden. Eine einzelne Taxation als "Momentaufnahme" sagt hierzu nichts aus.

Die letzten durch Wildhüter, Förster und Jagdaufseher gemachten Beobachtungen von Rothirschen lauten wie folgt:

Aufgrund der Aussage von Wildhüter Nägeli besuchten bis Anfang Dezember 1986 einzelne Wildschweine die Fütterungen, wurden aber später nicht mehr gefährtet.

Vorschlag für weitere Arbeiten

Aufgrund der vorliegenden Taxationsergebnisse, die meines Erachtens nicht die erwarteten Informationen brachten, möchte ich folgende ergänzende Arbeiten vorschlagen.

1. Neue Spurentaxation im Winter 87/88 bei guten Verhältnissen. Der Routenverlauf würde anhand der jetzt vorliegenden Erfahrungen festgelegt.

2. Zusammenstellung der Angaben aus den Wildbüchern für die Jagdreviere des betroffenen Gebietes.

BEANTWORTUNG DES FRAGEBOGENS

aufgrund der Spurentaxation vom Februar/März 1987 (Kleinsäuger nicht berücksichtigt)

Zu Frage 1:
Spuren folgender Tierarten waren vorhanden:
Keine Spuren währende der Taxation gefunden, Vorkommen aber von Wildhütern, Jagdaufsehern et al. mitgeteilt:
Saisonale Vorkommen:
Zu den Arten, denen u.U. besondere Beachtung geschenkt werden sollte:
Baummarder:
Bestandeszahlen unbekannt, Tendenz stetig abnehmend bis stagnierend. Als Ursache wird in erster Linie der Einfluss der Biotopveränderungen vermutet. Bedürfnisse der Art:
Iltis:
Bestandeszahlen gehen stark zurück. Genaue Zahlen sind nicht bekannt. Im Kanton Zürich geschützt. Liebt besonders traditionelle Kulturlandschaft mit Hecken, Feldgehölzen, verbuschten Bach- und Flussläufen; leidet unter Nahrungskonkurrenz von Steinmarder, Fuchs und wildernder Hauskatze. Feuchtgebiete mit Amphibienvorkommen sichern einen grossen Anteil der Winternahrung der Iltisse. Siedlungsbereich besonders an Waldsäumen, meidet das Innere von Waldungen; Gestaltung von Waldrändern und Uferbereich der Sihl von Bedeutung.
Biber:
Vorkommen im Gebiet "Sihlsprung". Möglichkeiten prüfen, ob Verbreitungsgebiet durch Renaturierung und Entstörung des Uferbereiches der Sihl erweitert werden könnte.
Indikatoren für Naturnähe im Sihlwald:

Baummarder (falls noch vorhanden) sonst keine

Zu Frage 2

Kreten- und Tobellagen:
oft Fuchs- und Dachsbaue vorhanden
Altholzbestände:
besonders wichtig für Baummarder
Stufig aufgebauter Wald:
besonders wichtig für alle Samen- und Fruchtfressende Arten wegen kontinuierlicher Nahrungsproduktion, z.B. Eichhörnchen, das selbst ein wichtiges Beutetier von Baummardern ist.
Waldwiesen:
sind ökologisch besonders hoch einzustufen, wegen hoher Diversität; vorwiegend Nahrungsgebiet verschiedener Tierarten (Blütenbesucher, Pflanzen- und Insektenfresser sowie deren Feinde)Waldwiesen sollten durch entsprechende Pflege erhalten werden.
Waldränder:

sind ökologisch genau so wichtig wie Waldwiesen; dienen ebenfalls vorwiegend als Nahrungsbiotop für die hier speziell berücksichtigten Arten.

Für die Qualität eines Waldrandes ist sein Verlauf, seine Struktur und sein Aufbau entscheidend.

Speziell für das Gebiet "Sihlwald" sollte das angrenzende Land wenn möglich in das Projekt miteinbezogen werden. Durch Verkehrswege (Sihlstrasse, Landwirtschaftsweg bei Schweikhof) oder landwirtschaftliche Nutzung bis an den Wald (z.B. Schafweiden mit Elektrozaun "Winterhalden"), gibt es keine entsprechenden Waldrandzonen.

Wenn möglich sollten die harten Grenzen zwischen Wald und Landwirtschaftsgebiet durch entsprechende Eingriffe (Holzschlag an den Rändern, Gebüschsaum) weicher gestaltet werden.

Feuchtgebiete, Tümpel- und Quellfluren:
z.T. Nahrungsbiotope; für Rothirsche und Wildschweine ideale Suhlen (z.B. unterhalb "Schnabellücke")
Alte, zerfallende Einzelbäume:
mit Hang zu Höhlungen sollten erhalten bleiben für höhlenbewohnende Arten (z.B. Baummarder, viele Vogelarten, Fledermäuse, etc.)
Totholzhaufen und Holzrotten:
wichtiger Lebensraum zahlreicher Insekten und anderer Wirbellosen, die zusammen mit ihren Puppen und Larven für viele weitere Tierarten (z.B. Dachs, Wildschwein, zahlreiche Vogelarten) beliebte Nahrung sind

Zu Fragen 3 und 4

Eine Entwicklung zu einem urwaldähnlichen Zustand würden nur die ausgesprochen waldliebenden Tierarten begünstigen; in diesem Falle Eichhörnchen, Baummarder und den eher waldorientierten Dachs.

Massnahmen, die den Sihlwald für viele Tierarten als Lebensraum aufwerten würden:

Waldbewirtschaftungsformen:

Ein grosser Teil des Sihlwaldes sollte sich selbst überlassen werden, so dass ruhige Altholzbestände entstehen, als Lebensraum für Baummarder und zahlreiche Vogelarten.

Andererseits fördert ein stufig aufgebauter Wald lichtbedürftige Arten und somit zahlreiche Nahrungspflanzen und Gehölze für Pflanzenfresser, Samen- und Früchtefresser sowie Blütenbesucher. Diese Waldstruktur wird durch Plenterung der kleinflächigen Femelbetrieb erreicht. Für die nachfolgende Jungwuchspflege ist m.E. eine Orientierung an der Methode von Förster Fritz Volz, Zollikerberg, sehr empfehlenswert (vgl. Wildtiere 3/87 in Druck, wird nachgereicht).

Die Pflege von Waldwiesen und Waldrändern sollte hohe Beachtung geschenkt werden.

Bemerkungen zu den Wildschweinen:

Wildschweine als Standwild stellen drei Anforderungen an ihren Lebensraum:

  1. Es muss genügend Deckung für die Anlage von Schlafplätzen und Wurfkesseln vorhanden sein und zwar an verschiedenen Stellen, die bei unterschiedlichen Windrichtungen und Witterungsverhältnissen jeweils optimalen Schutz, gegebenenfalls aber auch Sonneneinstrahlung gewähren.
  2. Es muss das ganze Jahr über in Quantität und Qualität ausreichende Nahrung zur Verfügung stehen.
  3. Es müssen Wasserstellen und Schlammlöcher zum Schöpfen und Suhlen vorhanden sein.

Im Vergleich mit den Eigenheiten im Gebiet "Sihlwald" komme ich vorläufig zu folgenden Aussagen:

1. Deckung steht in Form parzellenartiger Fichtenjungwüchse zur Verfügung, sind aber durch das dichte Erschliessungsnetz sehr störungsanfällig. Auffallend während der Taxation waren die zahlreichen Hundespuren, die jeweils "Abstecher" von den Waldwegen ins Waldinnere machten.

Wildschweine sind auch sehr störungsanfällig gegenüber Waldarbeiten und ziehen sich, wenn möglich, in andere Gebiete zurück.

Das Untersuchungsgebiet links der Sihl ist für die Aufzucht wenig geeignet. Bachen frischen im Frühjahr (März/April). Dazu suchen sie trockene, möglichst sonnige Plätze auf, denn die Frischlinge sind sehr empfindlich gegen Kälte und Nässe.

Diesen Ansprüchen genügt das Gebiet "Sihlwald" nicht. Es ist sehr schattig und feucht. Der Schnee bleibt links der Sihl relativ lange liegen.

2. Nahrungsanalysen bei Wildschweinen aus verschiedenen Untersuchungsgebieten liefern sehr unterschiedliche Ergebnisse. Einen Hauptteil der Nahrung liefern sicher masttragende Baumarten, wobei Eicheln am beliebtesten sind, gefolgt von Bucheckern. Da nicht jedes Jahr Samen gebildet werden, muss das Gebiet, bzw. Die Anzahl Bäume, genügend gross sein, um eine alljährliche kontinuierliche Fruktifikation zu gewährleisten.

Das Gebiet "Sihlwald" würde mit einem höheren Eichenanteil für Wildschweine aufgewertet.

Probleme, die in den angrenzenden Landwirtschaftsflächen entstehen können, müssen vorher abgeklärt werden.

3. Möglichkeiten zum Wasserschöpfen und Suhlen sind genügend vorhanden.

Schlussbemerkung

Das gesamte Untersuchungsgebiet (links und rechts der Sihl) ist für eine Rotte Wildschweine als ständiger Lebensraum zu klein. Jedoch ist besonders das Gebiet links der Sihl als Sommereinstand sehr geeignet. Das Gebiet würde stark an Qualität gewinnen, wenn ein vielfältigeres Nahrungsangebot und weniger Störungen bestehen würden.

Bemerkungen zu den Rothirschen

Für die Rothirsche gilt ähnliches wie für die Wildschweine. Da beide Arten sehr grosse Wohngebiete beanspruchen, ist die Fläche "Sihlwald" für einen ganzjährigen Aufenthalt zu klein und saisonal qualitativ ungenügend. Trotzdem könnte das Gebiet auch für Rothirsche aufgewertet werden, wenn mehr Verbissgehölze (auch für Rehe wichtig) und vermehrt ruhige Zonen zur Verfügung stünden.

Beide Arten, Rothirsch und Wildschwein, werden aber vermutlich Wechselwild bleiben.